Krisen bringen das Beste, aber auch das Schlechteste im Menschen zum Vorschein. Vielen ist das bewusst; vielen aber auch nicht. Ganz unabhängig von der Krise jedoch, neigen wir Menschen dazu, andere zu ver- oder zu beurteilen. Dabei heißt es nicht umsonst: „Urteile nicht über einen Menschen, in dessen Schuhe Du nicht mindestens 1.000 Schritte gelaufen bist.“ *

Du bist der Erschaffer Deines eigenen Lebens – also lebe es. Je mehr Phasen Du dabei durchläufst, je mehr Facetten des Lebens Du selbst erfährst, desto klarer wird Dir, dass das Leben oft Regeln hat, die individuell und nicht allgemein sind. Teste Deine Grenzen, aber überschreite dabei nicht die Grenzen eines anderen Menschen, außer er öffnet Dir die Tür. Sei geduldig mit Dir selbst, dann wirst Du lernen Geduld für andere aufzubringen. Glaube nicht, dass sich Dir allein die Wahrheit offenbart. Würden wir dann nicht schon alle erleuchtet sein? Ziehe in Erwägung, dass Du selbst Dich irrst, gestatte Deinem Geist offen zu bleiben, auch wenn er sich an Überzeugungen gewöhnt hat.

Je intensiver Dein Leben, desto freier wird es. Je freier Dein Leben, desto mehr schwindet der Gedanke über andere zu urteilen. Was für Dich richtig ist, kann für mich falsch sein. Tausche Dich aus, es geht nicht darum andere zu überzeugen, sondern voneinander zu lernen. Andere Sichtweisen, die sich aus vielen verschiedenen Lebensmosaiken entwickelt haben, mögen Dir fremd sein. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie falsch sind.

Die Wahrheit ist ein Kind der Zeit, nicht der Autorität“ stellte Bertolt Brecht einst fest. Also gebe Dir selbst Zeit und Raum für Erkenntnisse und gestehe sie anderen zu. Gerade in der heutigen Zeiten ist Toleranz unerlässlich. Bemerkst Du eine innere Abwehr bei einem bestimmten Thema, gebe Dir die Chance, Dich damit zu beschäftigen und andere Argumentationen anzuhören. Dabei musst Du Dich nicht verbiegen – niemand kann Dir eine andere Meinung aufzwingen, auch wenn dies vielfach versucht wird. Dennoch hilft das Wissen über andere Perspektiven, Verständnis aufzubringen und vielleicht ergeben sich sogar neue Erkenntnisse für Dich.

Lebe Deine Werte, aber achte darauf, dass Du Dich nicht zum Moralapostel aufschwingst. Wenn Du in Dir ruhst, werden Beleidigungen und Urteile anderer Menschen, Dich nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Wer Dich beleidigt, wer über Dich urteilt und sich dabei in Phrasen ergeht, dem gehe aus dem Weg. Gib diesen Menschen keine Energie, denn Deine Energie findet Platz an anderen Stellen; wird in anderen Situationen benötigt, zur Freude aller Menschen und für Dein eigenes Wachstum.

Wer den moralischen Zeigefinger erhebt, hat noch nicht verstanden, dass sein Handeln nicht auf Weisheit beruht, ja meist nicht einmal auf Wissen, denn in der Regel wird nur wiederholt, was andere Geister ihm eingegeben haben. Dies wird in der heutigen Zeit besonders deutlich. Die haltlose Behauptung „Impfen wäre solidarisch“ ist ein passendes Beispiel. Viele Menschen schwingen sich zum Richter auf, sehen den impffreien Menschen als Gefährder, sogar als Kriminellen. Die Tatsache, dass von der „Pandemie der Ungeimpften“ die Rede war und immer wieder ist, befeuert das Urteil über sie. Das Herr Lauterbach einräumte, dass diese Feststellung auf Fehler bei der Datenerhebung zurück geht, fällt unter den Tisch. Dass Ungeimpfte ausdrücklich nicht vor Diskriminierung geschützt werden sollten, gibt all jenen, die sich im Recht glauben, das vermeintliche Recht zu urteilen. Umgekehrt müssen sich auch Geimpfte etliche Beleidigungen gefallen lassen. Ob sich ein Mensch aus gesundheitlichen Gründen impfen ließ, ob er der Überzeugung ist, andere Menschen durch die eigene Impfung zu schützen oder ob er dachte, damit die vermeintliche Freiheit zurück zu bekommen, ist dabei unerheblich. So treffen Fronten und Überzeugungen aufeinander, die das gesellschaftlich Leben ungemein erschweren. Solange wir nicht bereit sind, von Urteilen abzulassen, wird die Wiedervereinigung 2.0 ein hartes Stück Arbeit werden.

Das eigentliche Ereignis, das mich zu diesen Worten bewegt hat, ist die Ohrfeige, die Will Smith dem Entertainer Chris Rock während der Oscar-Verleihung verpasst hatte. Dieses Ereignis wird offensichtlich weltweit diskutiert. In den sozialen Medien erhitzen sich die Gemüter, wird Stellung bezogen, wird Partei ergriffen. Wer ist im Recht? Das ist nicht die eigentliche Frage! Die Frage ist, wie viele Menschen sich in ein Thema hineinsteigern, dass eigentlich nur drei Menschen betrifft. Nämlich Jada Smith, Chris Rock und Will Smith.

Welchen Stellenwert hat das eigene Leben? Was wurde aus den Zeiten, in denen man sich mit Freunden bei einer Tasse Kaffee oder einem Gläschen Wein austauschte? Über eigene Erfahrungen, über persönliche Meinungen – sich selbst reflektierte zur Bereicherung aller Beteiligten und voneinander lernte?

Ist nicht das, was wir selbst erleben viel bedeutender, viel interessanter und vor allem viel wichtiger für die eigene Entwicklung und für das Lernen aus den Lehren des Lebens? Durch die Technik in eine Anonymität und Beschäftigung getrieben, verliert sich das eigene Leben im Meer von Streitereien und (um) Nichtigkeiten, und zerrinnt so wie Sand in der Hand.

Wer ein erfülltes Leben führt, wird sich nicht mit den Problemen von Menschen beschäftigen, die nichts mit dem persönlichen Lebensraum zu tun haben. Das Leben selbst ist ein Abenteuer, das wir gestalten können. Oftmals ist es eine empfundene Eintönigkeit, die uns dazu bringt, uns zu allem eine Meinung zu bilden – außer zur eigenen Welt, zur eigenen Person, zu Einflüssen, denen wir uns ausgesetzt sehen. Wer aus dem Bild dieser Eintönigkeit fällt, über den wird geurteilt, ob er „ein bunter Vogel“ ist, unverständliche Ansichten äußert oder sein Leben lang dem eigenen Weg widmet, einen Sinn zu finden und ihn zu leben. Und genau diese „Verurteilten“ lernen am schnellsten und leichtesten, wie sinnlos diese (Vor-)Urteile sind.

Also höre einfach auf zu urteilen – und beginne zu leben!
„Um glücklich zu sein, muß man seine Vorurteile abgelegt und seine Visionen behalten haben.“

Gabrielle-Emilie Marquise du Châtelet

Anmerkung: Das ursprüngliche Wort „Illusionen“ habe ich durch das Wort „Visionen“ ausgetauscht

Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum.
Denn Träume setzen Ziele und Ziele kannst du erreichen.“

Tommaso Campanella