Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Besorgnis beobachte ich Ihre Berichterstattung über die Spaziergänge in Vilshofen beginnend mit dem Beitrag vom 2. Januar. Sie sprachen dort wahrheitsgemäß aus, dass die Bilanz stets friedlich ausfiel. Dennoch musste scheinbar das „Totschlagargument einer rechtsradikalen Gesinnung“ unbedingt in den Beitrag eingearbeitet werden.
So zitierten Sie den Rechtsanwalt W. Plischke, der von Wandertagen „ohne Maske und Abstand im Auftrag rechtsextremer Hinterleute“ sprach. Sie können sich mit dieser Erwähnung natürlich auf das Zitat herausreden – dies aber unkommentiert und ohne es zu hinterfragen, zu publizieren, lässt jegliche journalistische Sorgfaltspflicht vermissen! Wurde Herr Plischke dahingehend befragt, welche Argumente und welche Beweise seiner Aussage zu Grunde liegen? Als ehemaliger Rechtsanwalt sollte er sich wohl bewusst sein, dass eine solche Behauptung belegt sein sollte. Nach Ihrem Beitrag vom 2. Januar habe ich eine entsprechende Anfrage an RA Plischke gestellt. Dass er zu keiner Antwort auf diese Frage bereit war, ist bereits aussagekräftig. Die Töne, die er in der „Zeit“ vernehmen lässt, sind jedoch etwas zurückhaltender geworden. Eine schriftliche Anfrage an die Polizei ergab im Übrigen, dass zu keiner Zeit während der Vilshofener Spaziergänge rechtsextreme Tendenzen wahrzunehmen waren. Wäre es nicht im Sinne einer ausgewogenen Berichterstattung notwendig gewesen, auch das zu erwähnen?
Im weiteren kann ich Ihnen versichern, dass nicht nur die Gegendemonstration sich der Leiden der Menschen „Beschäftigten in der Pflege, die Kindergärtnerinnen, die Lehrer, die Schüler, die Kinder,“ bewusst ist. Genau dieses Leid ist einer der Gründe, warum sich Menschen zu den Spaziergängen zusammenfinden.
Am 3. Januar haben Sie den Vorwurf der Rechtsradikalität wenigstens außen vor gelassen. In der ersten Veröffentlichung war jedoch noch zu lesen: „Beim Rückmarsch rief ein Zuschauer vom Rand:“ Arschlöcher“. Niemand fühlte sich provoziert.“ . Warum wurde dieser Satz so schnell wieder entfernt? (KORREKTUR siehe unten) Spricht es zu sehr für die Spaziergänger, dass nicht sie es waren, die provozierten? Und dass auch sie sich nicht provozieren ließen?
Während von offizieller Seite deutlich gemacht wird, dass weder Plakate noch Parolen erlaubt seien, wird im Artikel vom 3. Januar kritiklos erwähnt, dass die Gegendemonstraten genau das taten – dass nämlich die Teilnehmer mit Parolen behängt kleine Schilder hoch hielten. Offensichtlich wird wohl in der Berichterstattung mit zweierlei Maß gemessen.
Am 10. Januar dann unterband die Polizei diese Inszenierung mit Plakaten, wie Sie diesmal (10. Januar) auch folgerichtig klarstellten. Im weiteren erwähnten Sie in Ihrer Schilderung, die Teilnehmer der Gegendemonstration „wurden ein wenig abseits gestellt“. Jeder Ortskundige würde eine Platzierung am Stadtplatz vor der Kirche (wie schon in der vorangegangenen Woche) sicherlich nicht als „abseits gestellt“ bezeichnen.
Am 17. Januar hat man nun endlich erreicht, dass die unliebsamen Spaziergänger vom Zentrum zur „Donaupromenade verbannt wurden“. „Um weder den Verkehr zusätzlich zu belasten noch die BRK-Rettungswacht in Schwierigkeiten zu bringen,“ hieß es. Bei den letzten Zusammentreffen in Vilshofen verlief alles unproblematisch – 100 Teilnehmer mehr werden zum Problem? Aber auch das akzeptieren die friedfertigen Teilnehmer ohne Murren, wie Sie richtig anmerkten. Von Radikalität also weiterhin keine Spur!
Immerhin verbinden Sie die Souveränität des Volkes (die ein grundlegendes demokratisches Prinzip ist) nicht mit rechtsradikalem Gedankengut, wie es die „Zeit“ unlängst getan hat. Dennoch komme ich nicht umhin, Sie eindrücklich an die erforderliche Sorgfaltspflicht sowie an die Ethik im Journalismus zu erinnern. Abschließend möchte ich Ihnen zwei Fragen stellen, denn bekanntlich sollen Fragen ja den Geist öffnen. Oder vielleicht wenigstens zur Diskussion anregen, die inzwischen augenscheinlich unerwünscht ist:
Wann wurde in Deutschland zum letzten Mal eine Gleichschaltung der Gesellschaft initiiert? Von wem stammt das Zitat „Die Presse ist ein Erziehungsinstrument, um ein Siebzig-Millionen-Volk in eine einheitliche Weltanschauung zu bringen.“
Es täte der Presse, den sogenannten Qualitätsmedien und auch Ihrer Zeitung gut, sich wieder an eine objektive Berichterstattung zu erinnern, die mehrere Perspektiven berücksichtigt und auch darstellt. Dies wäre sehr einfach möglich, indem Sie Quellen wie das RKI, das PEI, das Divi-Register und das Bundesgesundheitsministerium heranziehen und eine gründliche Recherche betreiben.
Die andauernde Diffamierung freier, friedliebender und kritischer Bürger als rechtsradikal ist eine pauschale Beleidigung, wie ich sie vor dem Jahr 2020 noch nie wahrgenommen habe. Hassrede in den sozialen Netzwerken nimmt zu – auch bezüglich der Vilshofener Spaziergänger. Nur kann man sich dort wohl nicht so recht entscheiden, ob es nun Rechtsradikale oder Spinner sind, die man „niedermachen“ möchte. Eine einseitige Berichterstattung mit Bemühungen neutral zu wirken, befeuert die Spaltung der Gesellschaft, auch wenn die Presse das ungern hört. Wenn zu Gegendemonstrationen unter dem Motto „Auf das ihnen der Tag versaut wird“ (so geschehen in Passau) aufgerufen wird, findet das leider keine Beachtung in Ihrer Zeitung. Und provokante Beleidigungen von außen werden, wie von Ihnen, einfach wieder aus einem Beitrag gelöscht.
Mit kollegialen Grüßen
Andrea Schuberth
freie Journalistin
KORREKTUR – Der Satz: „Beim Rückmarsch rief ein Zuschauer vom Rand:“ Arschlöcher“. Niemand fühlte sich provoziert.“ ist im online Beitrag der PNP noch vorhanden. Es gibt am Ende des Beitrages ein sogenanntes „Fotokarusell“ unter einem der gezeigten Foto, dient dieser Satz als „Bildunterschrift“ – also alle Fotos anschauen.
Sehr gut, sachlich und kompetent geschrieben. Leider schreiben die Mainstreamjournalisten nur noch das, was ihnen aufgetragen wird. Kritischer Journalismus ist dort leider fast völlig verschwunden. Sehr bedauerlich für eine Demokratie und absolut hinterfragenswert!
Vielen Dank! Sehe ich genauso. Offensichtlich steht nur die freie Presse noch für investigativen Journalismus.
Sehr gut geschrieben.
Anmerken möchte ich, daß es doch im Ermessen angeblich freier Bürger liegen sollte, wo und wann sie spazieren gehen.
Was ja an anderen Orten schon irgendjemand glaubte verbieten zu können.
Es ist öffentlicher Boden, es sind Menschen eines “ freien“ Landes die sich dort selbstverständluch frei bewegen können, darüber sprechen zu müssen, zeigt wie weit alles gekommen ist.
Anstatt daß sich der Herr Bürgermeister freuen sollte, daß so viele Menschen gerne in diese schöne Stadt kommen, sie beleben, dort noch Einkäufe erledigen, was auch den Geschäften gut tun wird, rümpft er die Nase.
Wie schade, es wirft für mich auch die Frage auf ob er wirklich auf Seiten der Bürger steht.
Danke für die wertvolle Ergänzung. In der Tat werden die Zeiten zusehends surrealer. „Einigkeit und Recht und Freiheit“ – das alles scheint schon der Vergangenheit anzugehören. Man sprach ja schon 2020 von der „neuen Normalität“.
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