Zwischen Klimawandel und Corona-Pandemie, zwischen Asylpolitik und Ukraine-Krieg werden – fast schon unscheinbar – neue Systeme etabliert, die das Potential zur Überwachung ganzer Gesellschaften in sich tragen.

Ein globaler Player im Bereich der Datenverarbeitung und -analyse ist – mit 25 Büros weltweit – das amerikanische Unternehmen Palantir. Es bietet sowohl für Regierungen und Geheimdienste, als auch für die Wirtschaft, eine Software an, die in der Lage ist in enormer Geschwindigkeit, riesige Datenmengen aus unterschiedlichen Datenbanken zu durchsuchen, zusammenzuführen und zu analysieren. Dabei steht das Programm „Gotham“ für den Militärbereich und „Foundry“ für den Wirtschaftssektor. Es handelt sich bei der Software um sogenannte „modulare Produkte“. Eine Microservice-Architektur lässt also Erweiterungen zu – wie zum Beispiel das „Upgrade AVA“, eine künstliche Intelligenz.

Im März erst entschied sich das Bayerische Landeskriminalamt für die neue Datensoftware von Palantir „VeRA“ – das „Verfahrensübergreifende Recherche- und Analyse-System“. Ein weiterer „Ableger“ von „Gotham“. Genauso wie „Hessendata“ in Hessen oder „DAR“ in Nord-Rhein-Westfalen, die bereits angewendet werden. Seit 2010 – so enthüllte „Die Zeit“ im Jahr 2015 arbeitete Palantir auch für den Bundesnachrichtendienst (BND). Europol beschaffte sich 2012 die Anwendung über das Beratungsunternehmen Capgemini – die Software wurde von 2016 bis zum 3. Quartal 2021 genutzt. Warum und durch welches Programm „Gotham“ ersetzt wurde, ist bisher unbeantwortet.

Doch wieviel Vertrauen kann man haben in ein Unternehmen, dass gegründet wurde „um Software für Verteidigungs- und Nachrichtendienste zu entwickeln, deren Budgets größer waren als die Volkswirtschaften einiger Staaten.“ Denn mit diesen Worten beginnt der CEO Alexander C. Karp seinen Jahresbrief 2022. Es ist kein Geheimnis, dass die CIA bei der Gründung von Palantir Mitinvestor war – und lange Zeit einziger Kunde. Die Geheimdienste und weitere Behörden der USA erkannten das Potential und schlossen sich an. Erst im Jahr 2013 wurden Bürger in Sachen Datenmissbrauch sensibilisiert – durch die Enthüllungen von Edward Snowden. Wurde „Gotham“ bei der offengelegten Operation der National Security Agency (NSA) bereits als Werkzeug eingesetzt? Eine Frage, die bis heute nicht geklärt wurde.

Können wir also auf die vielgerühmte Datensicherheit und damit den Schutz der Daten vertrauen?
Zu viele Fragen bleiben offen. Es heißt, dass Behörden nicht mit dem Internet verbunden seien und die Daten damit sicher und geschützt wären. Andererseits können Informationen aus sozialen Medien und Netzwerken, von Instagram, über Whatsapp bis hin zu YouTube, abgerufen und zusammengeführt werden. Es heißt die Software arbeitet nicht mit Gesichtserkennung, aber auch hier kursieren gegenteilige Behauptungen. Palantir Visions selbst liefert die Bilder, in der die Einbindung der Gesichtserkennung werbewirksam in Szene gesetzt wird. Der Konzern fühlt sich dem Militär und westlichen Werten verpflichtet. Als „Google“ einen Vertrag für ein Drohnenprogramm mit dem Pentagon im Jahr 2018 auslaufen ließ, sah sich Palantir sofort in der Verantwortung. Die Nähe zum US Militär ermahnt mindestens zur Wachsamkeit. Inzwischen beginnt das Unternehmen mit dem Aufbau einer eigenen Satelliten-Infrastruktur. Der erste Satellit wurde bereits vor 2 Monaten ins All geschossen.

A new generation of transparency“ heißt es im Promotion-Video „Gotham Europe“. Eine neue Generation der Transparenz verspricht die Palantir Anwendung. Die Anwendung selbst ist alles andere als transparent. Zudem nutzt Palantir Visions nun den Ukraine Krieg, um neue Kunden zu gewinnen. Mit dem Video „Palantir RESPONDS to Russia Ukraine Conflict: Gotham Explained“ sucht man in Europa weitere Technologieverbündete.

Ob und wann VeRA in Bayern eingesetzt wird, bleibt noch abzuwarten. Zuerst muss die Software von einem unabhängigem Forschungsinstitut nach Hintertüren, Funktionalität und schadhaften Komponenten geprüft werden. Bis zum Abschluss dieses Vergabeverfahrens ist die Pressestelle des Bay. Landeskriminalamtes zu keiner Auskunft zum neuen Analyse-Programm bereit. Erst dann kann man auf Antworten zu Details hoffen.

Alex Karp bekräftigt einstweilen, wie ungefährlich das Unternehmen sei. In einem Disney Film sei Palantir Bambi und nicht der Jäger. Trotz der Verwicklungen Palantirs in den Skandal „Cambrigde Analytics“ und der Spionage bei JPMorgan, sollen wir den guten Absichten des Konzerns vertrauen. Die Meinungen sind und bleiben gegensätzlich. So nannte Kritiker Christopher Soghoian Palantir „eine Schlüsselkraft im Überwachungs-Industrie-Komplex“. Der ehemalige Frankfurter Polizeipräsident Bereswill dagegen meint „Wir sind auf dem richtigen Weg“.

Unabhängig davon, welcher Meinung man sich anschließt, steht eines fest. Die vorhandene Technik kann missbraucht werden und trägt in sich das Potential für eine totale Überwachung.