Der öffentlich rechtliche Rundfunk will mit der Zeit gehen. Etliche YouTube Kanäle klären in Erfüllung eines vermeintlichen Bildungsauftrags auf. Dabei richten sich diese Formate gezielt an junge Menschen. Doch welche Weltanschauungen werden hier vermittelt? Welche Art von Jounalismus betrieben?

Der Journalist Timm Giesbers zum Beispiel betont in seiner Reportage „Superstraight: Eine transfeindliche Bewegung?“, dass er sich „voll oft“ erlaubt über Menschen zu urteilen, die er gar nicht kennt. Wer nun glaubt, dass hier Einsicht der erste Schritt zur Besserung sein könnte, irrt sich wohl, denn schon im nächsten Satz geht er davon aus, dass genau das auch die Superstraight Communitiy so handhabt. Er projeziert also seine eigenen Unzulänglichkeiten auf andere, oder? Was würde ein Psychologe dazu sagen?

Sollte diese Einsicht nicht eher dazu führen, der journalistischen Sorgfaltspflicht in besonderem Maße Rechnung zu tragen?

Im weiteren möchte Timm klären, woher diese Bewegung eigentlich stammt. Die darauffolgende Frage an die Expertin (deren Nachname im Nachgang korrigiert werden musste) lautet dann aber, ob es denn diese Verbindung zur rechten Strömung gäbe. Wie diese Bewegung entstand, wird ausschließlich im Text beantwortet. Ein TikToker stellte klar, dass er ausschließlich biologische Frauen daten möchte. Dass auch dieser Tiktoker Hassnachrichten bis hin zu Morddrohungen erhielt (2), wird beim „reporter“ Beitrag erst gar nicht erwähnt und fällt damit auch keineswegs ins Gewicht. Dabei ist „Hass im Netz“ eben nicht nur auf ein Thema beschränkt und auch die vermeintlich toleranten Gruppen stürzen sich auf Aussagen, die nicht in ihr Weltbild passen.

Das gezogene Fazit ist, dass Superstraight in zwei Kategorien unterteilt werden kann. Jene, die bewusst Hass im Netz verbreiten und jene, denen es an Wissen fehlt. Dass manche Menschen einfach eine sexuelle Präferenz haben und trotzdem weder über Transfrauen noch über Transmänner urteilen, passt leider nicht ins Weltbild dieses Journalismus.

Interessant auch die Aussage, dass wohl Fußballer generell behaftet sind mit Vorurteilen. „Fußball hat schon so ein Problem mit Homophobie und so ….. das erlebt ihr schon?“ Ist das nicht schon eine Suggestivfrage? Gerne würde ich erleben, was diese pauschale Aburteilung mit Fußballern und Fußballfans macht, wenn man genau diese Aussage zur besten Sendezeit im öffentlich rechtlichen Fernsehen präsentiert. Das könnte interessant werden.

Man darf sich hoffentlich noch fragen, was das alles soll. Woran liegt es, dass gerade die Formate, die sich an Jugendliche und junge Erwachsene richten, oft Differenzierung und Sachlichkeit vermissen lassen. Das Y-Kollektiv zum Beispiel bezeichnet sich als ein Netzwerk von jungen Journalisten und Journalistinnen. Diese zeigen in ihren Web-Reportagen die Welt, so wie sie selbst diese erleben. Entspricht das noch dem Anspruch der öffentlich rechtlichen Medien? Die Bundeszentrale für politische Bildung hat hierzu sehr konkrete Aussagen getroffen. „Geboten ist insofern stets eine unabhängige, sachliche und überparteiliche Berichterstattung„, ist hier zu lesen. „Und weiter in Satz 2: „Ein einzelnes Programm darf die Bildung der öffentlichen Meinung nicht in hohem Maße ungleichgewichtig beeinflussen.“ (4) Augeglichen scheint mir die Berichterstattung der jungen Reporter an vielen Stellen nicht.

Wer also die Welt nur aus seiner Sicht schildert, hat zweifelsohne einen sehr eingeengten Horizont und kann sich in Sachen Journalismus allenfalls auf Meinungsbeiträge beziehen. Und welche Meinungen den Jugendlichen in Sachen Alkoholkonsum mitgegeben wird – das halte ich größtenteils für grob fahrlässig.

Selbstexperimente gibt es genug. Egal, ob es darum geht, sich „abzuschießen“ oder aber revolutionär ganze vier Wochen auf Alkohol zu verzichten. Carolin von der Groeben sorgte für Aufsehen mit der Herausforderung des Alkoholverzichts. Die hochgeladene Dokumentation über dieses Experiment, sorgte für so viel Kritik, dass man sie lieber wieder aus dem Netz nahm. Eine Reaktion auf den eigenen Beitrag, diesmal begleitet von einem Experten, sollte die Wogen wieder glätten.

Es bleibt die Frage, wie leichtfertig möchte man dieses ernstzunehmende Thema behandeln? Die tragische und problematische Seite des Alkoholkonsums kommt auch in der „Nachbehandlung“ des Beitrages praktisch nicht zum Tragen. Vier mal wöchentlich schießt sich die junge Journalistin und Schauspielerin ab und hält das für ziemlich normal. „Alkohol gehört bei mir eigentlich dazu“ erklärt sie. Es sei „sozialer Sauerstoff“ und wäre der „Club für die coolen Kids“. Ein Partner, der zwar locker sei, aber keinen Alkohol trinken würde, wäre für sie inakzeptabel.

Welcher Bildungsauftrag wird hier erfüllt? Welcher Erkenntnisgewinn lässt sich aus diesem Selbstexperiment ziehen? Wenn die hippen Journalisten wie Carolin, Ariane (5), Ben (6), Frank und Sebastian (7) mit Alkohol experimentieren wollen, kann man nur hoffen, dass sie sich der Problematik eines übermäßgen Alkoholkonsums bewusst sind. Warum sie diese Experimente jedoch aus den Gebühren der Rundfunkzahler finanzieren dürfen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Wenn dann auch noch – wie bei Carolin und Ariane – eine eher unkritische Haltung gespickt mit Ausreden und Ausflüchten serviert wird, halte ich das nicht nur für überflüssig, sondern für gefährlich.

Quellen:
(1) https://www.youtube.com/watch?v=uZemk_a0INU&t=603s
(2) https://www.youtube.com/watch?v=GvaRZ6m9RIE&t=39s
(3) https://www.youtube.com/watch?v=EzGpwZNXn30&t=457s
(4) https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/medienpolitik/237014/bildungsauftrag-und-informationspflicht-der-medien/
(5) https://www.youtube.com/watch?v=BGxR5vNw_JE
(6) https://www.youtube.com/watch?v=v9I83Ph65Yg
(7) https://www.youtube.com/watch?v=s-vFIDlha-w