Philosophen hinterließen uns Gedanken, die Jahrtausende überdauerten und doch so stimmig und klar sind. Sie bleiben ein Wegweiser – auch in der heutigen Zeit. Daher hier ein kleiner Auszug aus einer lang entfernten Zeit – Gedanken zur Freiheit – niedergeschrieben von dem Philosophen Seneca.

„Was schielst du nach deinem Geldkasten, sie lässt sich nicht erkaufen. Die Eintragung deines Namens in die Liste der Freien hat nichts zu besagen.
Im Besitze der Freiheit sind weder die, die sie erkauften, noch die, die sie verkauften. Du selbst musst Dir dies Gut geben. Musst es von Dir selbst fordern. Befreie Dich vor allem von der Furcht vor dem Tode. Er ist es, der uns das Joch auferlegt. Sodann von der Furcht vor der Armut. Wozu dein ängstliches Umschauen nach dem, was Dir vielleicht zustoßen, aber auch nicht zustoßen kann.
Ich meine Brandunglück, Hauseinsturz und anderes dergleichen, was uns durch des Zufalls Macht trifft, nicht durch heimtückische Hinterlist.

Richte dein Augenmerk viel mehr auf das und gehe dem aus dem Wege, was auf uns lauert und uns zu fangen sucht. Schwer zwar, aber doch seltener sind die Schicksalsschläge wie Schiffbruch oder Sturz mit dem Wagen. Vom Menschen dagegen droht dem Menschen täglich Gefahr. Gegen diese mache Dich kampfbereit. Auf sie richte Dein Augenmerk. Kein Übel ist häufiger, keines hartnäckiger, keines verführerischer. Das Unwetter droht eh es aufsteigt, die Häuser knistern ehe sie einstürzen, der Brand kündigt sich durch Rauch an. Aber plötzlich kommt das Verderben vom Menschen – und wird umso sorgfältiger verdeckt, je näher es heranrückt.

Du irrst, wenn du den Mienen derer vertraust, die dir entgegenkommen. Sie sehen wie Menschen aus, haben aber die Seele von wilden Tieren. Nur dass bei diesen der erste Anlauf gefährlicher ist – sind sie einmal an uns vorüber, so suchen sie nicht wieder nach uns. Denn niemals reizt sie etwas anderes, als der Notwendigkeitsdrang, dazu Schaden zu tun – Hunger oder Furcht sind es, die sie zum Kampf nötigen.

Bei den Menschen ist es die reine Willkür, wenn er den Menschen ins Verderben stürzt. Du aber sei bei dem Gedanken an die Gefahr, die von Menschen droht, zugleich darauf bedacht, Dir die Pflicht des Menschen klarzumachen. Bei dem einen nimm Dich in Acht, dass du nicht verletzt werdest. Bei dem anderen, dass du ihn nicht verletzest. An ihrem Wohlsein freue dich – an ihrem Ungemach nimm herzlich teil und erinnere Dich an das, was Du zu leisten und wovor Du Dich zu hüten hast.“

„Hälst Du es so im Leben, was darfst du dann erwarten? Nicht, dass sie Dir nicht schaden, wohl aber, dass sie Dir keine Täuschung bereiten.“

Quelle: Seneca – „Vom Glück, vom Schmerz und von der Seelenruhe“ [Hervorhebungen durch die Autorin]